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Glatzer Gebirgs-Verein
(GGV) Braunschweig e.V.

seit 70 Jahren in Braunschweig

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Der 100jährige Glatzer Gebirgs-Verein
(1881 bis 1981)

Hundert Jahre sind vergangen, seit am 2. März 1881 auf Einladung von Bürgermeister Dengler, Bad Reinerz, und Hauptmann a. D. Schenck zu Glatz von 85 Grafschaftern der Glatzer Gebirgs-Verein in Glatz gegründet wurde. Dem ersten Jahresbericht in Band 2 von 1882 der »Vierteljahrsschrift für Geschichte und Heimatkunde der Grafschaft Glatz« entnehmen wir auszugsweise: »Bereits vor Jahren wurde infolge der Bildung von Gebirgs-Vereinen für die verschiedenen Gebirgszüge Deutschlands und der Nachbarländer auch in der Grafschaft Glatz der Gedanke angeregt, einen heimatlichen Gebirgs-Verein zu gründen. Die Sache zog sich indeß hin, bis sie durch die Bildung des Riesengebirgs-Vereines aufs neue in Fluß kam. Wollte die Grafschaft Glatz nicht gegen andere Gebirgsgegenden zum Nachtheil ihrer Bewohner zurückbleiben, so war die schleunige Gründung eines gleichen Vereins für die Grafschaft Glatz geboten. Deshalb traten auf Einladung mehrere Herren aus verschiedenen Orten der Grafschaft zusammen, beschlossen die ungesäumte Gründung eines »Gebirgs-Vereines der Grafschaft Glatz« und wählten ein Comitee zur Ausführung dieses Beschlusses. Dieses setzte unter dem Vorsitz des Herrn Hauptmann a. D. Schenck zu Glatz die Vereinsstatuten fest, worin als Vereinszweck angegeben ist, das Interesse für die Gebirge der Grafschaft Glatz in weiteren Kreisen zu verbreiten, den Besuch zu erleichtern und angenehm zu machen sowie die wissenschaftlichen Kenntniße über diese zu mehren, der Vereinsbeitrag auf jährlich 3 Mark normiert, der Verein in Sectionen getheilt und in den verschiedenen Sphären seiner Tätigkeit unter die Leitung eines Centralvorstandes gestellt wird. Der Vorstand trat alsbald in Function. Seine erste Tätigkeit nach außen hin betraf die Mitwirkung zur Herstellung eines amtlichen Coursbuches beim Königl. Eisenbahnbetriebsamtes zu Neisse. Hiernächst war das Bestreben des Centralvorstandes darauf gerichtet, das Wohlwollen maßgebender Persönlichkeiten zu gewinnen und das Interesse des Vereins in immer weitere Kreise zu tragen. Die Mitgliederzahl hat stetig zugenommen, so daß sie am Schlusse des 1. Vereinsjahres nach Bildung von 17 Sectionen die Summe von 809 erreichte.«

Kaiser-Wilhelm-Turm auf dem Glatzer Schneeberg im Winter. Foto: Leister
Kaiser-Wilhelm-Turm auf dem Glatzer Schneeberg im Winter. Foto: Leister

Der mühevolle Aufbau des Vereins spiegelt sich in den Jahresberichten der Gründungszeit wieder, die in der obengenannten Vierteljahrsschrift Band 1 bis 10 in den Jahren bis 1890, später in den »Gelben Blättern« der Ortsgruppe Breslau veröffentlicht wurden. Die dort veröffentlichten Berichte zeugen von der eifrigen Tätigkeit der einzelnen Sectionen und des Zentralvorstandes. Erster Vorsitzender des Gesamtvereines war Amtsrichter Grützner, Glatz.
Es ging um die Erschließung des Glatzer Berglandes, seiner Heilbäder und Luftkurorte, seiner Wintersportplätze für den Fremdenverkehr, für die Betreuung der Kurgäste durch Wanderführer des Vereines. Der GGV war besorgt um günstige Verkehrsverbindungen, insbesondere zur Reichshauptstadt Berlin, er schuf und markierte in den Jahren über 1200 Kilometer Wanderwege.
1888 erscheint die erste Wanderwegekarte des GGV. Damals erschien der erste »Kleine Reiseführer durch die Grafschaft Glatz« zum Preise von 20 Pfennig. 1883 errichtete der Verein in Glatz eine Vereinsbibliothek und machte sich verdient durch Herausgabe heimatlichen Schrifttums. Das Wirken des Vereines erstreckte sich auch auf die Pflege der Gebirgsholzungen, Einrichtung einer meteorologischen Station auf dem Glatzer Schneeberg, Schutz von Vögeln. Die Sorge des GGV galt im besonderen der Erhaltung der Naturschutzgebiete Seefelder bei Bad Reinerz, Saalwiesen im Bielengebirge, dem Schutz der seltenen Pflanzenarten, darunter auch die »Glatzer Rose« (Trollblume — Trollius europaeus), Kugelranunkel. Sie ist zum Symbol des GGV geworden. So wurde im Verein vor 100 Jahren schon der Landschafts- und Naturschutz gepflegt. Hinzu kamen seine Bemühungen um stete Verbesserung der Unterkünfte in den Gaststätten und Pensionen.
Die Namen der ersten Sectionen: Altheide, Cudowa, Eckersdorf, Glatz, Habelschwerdt, Landeck, Langenau, Lewin, Mittelwalde, Reinerz, Rengersdorf, Rückers, Wartha, Wünschelburg. Der erste Jahresbericht schließt: »So ist fast überall ein reger Eifer für die Zwecke des Vereins zu Tage getreten und kann der Verein mit voller Befriedigung auf sein Wirken in der kurzen Zeit seines Bestehens zurückblicken. Möge das Interesse für ihn auch ferner nicht erkalten!«

Die Jahre 1895-1899 nahmen durch den Bau des »Kaiser-Wilhelm-Turmes« auf dem Glatzer Schneeberg (1425 Meter) das Denken und Schaffen des Vereines voll in Anspruch. So war 1899 die Einweihung des Turmes für die Grafschaft und den GGV ein besonderes Erlebnis. In den langen Jahren war der Turm eines der populärsten Wahrzeichen des Glatzer Landes und das Ziel unzähliger Wanderer zum Glatzer Schneeberg. Nun steht dieses stolze Wahrzeichen infolge Vernachlässigung des Bauwerkes durch die Polen heute nicht mehr. Am 11. Oktober 1973 wurde er infolge Baufälligkeit durch Witterungseinflüsse durch polnische Pioniere gesprengt. Heute erinnert nur noch ein Steinhaufen daran. Ob einmal später wieder ein neuer Turm auf dem höchsten Berg der Grafschaft stehen wird?
Das 25jährige Jubiläum des GGV wurde 1906 in Glatz in festlichem Rahmen begangen. Es schloß sich dabei eine Besteigung des Schneeberges zur Einweihung der erweiterten Schutzhütte am Turm an. Im Jahre 1905 erschien erstmalig die vereinseigene illustrierte Zeitschrift »Die Grafschaft Glatz« mit jährlich sechs Heften, mit einer Fülle von Artikeln, bis zum Jahre 1945.
Ihre Schriftleiter waren: bis 1906 Artur Hegerhorst; bis 1907 Paul Deckert; bis 1908 Viktor Teuber; bis 1916 Heinrich Paul; bis 1922 Pfr. Franz Albert; bis 1922 . Viktor Schaetze; bis 1936 Dr. L. Scholz; 1937 bis 1944 Bruno Neugebauer.

Leider konnte das Schrifttum des GGV durch die Vertreibung nicht gerettet werden. Sämtliche Akten des Verbandes Deutscher Gebirgs- und Wandervereine, wobei sich auch unsere Vereinszeitschrift befand, wurden im Zweiten Weltkrieg bei einem Bombenangriff in Darmstadt vernichtet. Einigen Zufällen ist es zu verdanken, daß eine Anzahl unserer damaligen Zeitschrift erhalten geblieben ist. So hat der GGV aus dem Nachlaß des 1979 in Detmold verstorbenen Landsmannes Eduard Köhl (Sohn von Carl Kurka) die Jahrgänge 1914 bis 1918 in einem Band erhalten.
An dieser Stelle sei auch das 1906 vom GGV in Glatz gegründete Heimat-Museum erwähnt. Es gehörte zu den bedeutendsten Einrichtungen des Vereins. Seine ansehnlichen Sammlungen befanden sich bis Ende der 20er Jahre dieses Jahrhunderts in dem Refektorium des Minoritenklosters, später im früheren Stadtschloß — Glatzer Ständenhaus —, Böhmische Straße.
Mitten in die friedlichen Bestrebungen schlug am 2. August 1914 unbarmherzig der Erste Weltkrieg. Die Kriegsverhältnisse hatten schwere Folgen für das Vereinsleben. Zu Beginn des Krieges bestanden 35 Ortsgruppen mit 5027 Mitgliedern, zum Teil im übrigen Schlesien und auch in Berlin. Die bisherige Vereinstätigkeit ruhte, insbesondere die Markierung der Wanderwege, der Mitgliederbestand in den Ortsgruppen sank. Anstelle des Vorsitzenden des Hauptvorstandes, Landesgerichtsrat Schneider, der im Felde stand, wurde der Schriftführer, Zahnarzt Pokorny, mit der Wahrnehmung der Geschäfte des Vorsitzenden betraut. Nach dem Krieg übernahm dann Landgerichtsrat Schneider wieder die Geschäfte. Nun stand die Neubelebung der Vereinstätigkeit im Vordergrund. Um diese Zeit kam auch in der Grafschaft Glatz immer mehr der weiße Sport auf. Innerhalb des GGV bestanden 20 Skigruppen, deren Hauptskiwart Lehrer Josef Krause, Glatz, war. Wintertreffen mit alljährlichen Skiwettkämpfen und Skikurse dienten dem Zusammenhalt in den Ortsgruppen, zeigten aber auch vielen Gästen, die sich daran beteiligten, die Schönheit der Glatzer Berge.
Wer erinnert sich noch an die vielen Aussichtstürme: Auf der Weißkoppe, auf dem Königshainer Spitzberg (beide erbaut von Regierungsbaumeister Conrad Goebel), Kaiser-Wilhelm-Turm auf dem Glatzer Schneeberg (erbaut von Stadtbaumeister Gießer, Glatz, 1895 bis 1899), Hohe Mense-Turm mit Blockhaus, Heuscheuer-Aussichtspunkte, Bismarckturm auf der Hohen Eule (des Eulengebirgs-Vereins).
Daneben hat der GGV auch sehr viel für den Bau von Bauden getan. Er errichtete die Hindenburgbaude in Grunwald auf der Hohen Mense (spätere Besitzerin Frau Hase), die Brandbaude bei Habelschwerdt (späterer Besitzer H. Hoffmann), die Skihütte auf der Heidelkoppe bei Bad Landeck, die Rösselkoppenbaude bei Karpenstein, Bad Landeck. Als 1924 das 25jährige Bestehen des Kaiser-Wilhelm-Aussichtsturmes auf dem Glatzer Schneeberg gefeiert wurde, fand dort unter außerordentlich großer Beteiligung von Wanderfreunden des GGV das Berg-Turnfest statt.
Wenn bereits einige Namen von Bauden genannt wurden, soll aber auch noch der »Schneeberg-Schweizerei« unterhalb des Schneeberg-Gipfels (errichtet 1871 durch die Prinzessin Mariann der Niederlande), des »Liechtenstein-Schutzhauses« am »Spieglitzer (Glatzer) Schneeberg« — wie er »auf der anderen Seite« genannt wurde — des »Schlesierhauses auf dem Tietzhübel (beide errichtet vom Mährisch-Schlesischen Sudeten-Gebirgs-Verein, der heute seinen Hauptsitz in Kirchheim-Teck hat), der Puhu-Baude am Schwarzen Berge, der Zobel-Baude, der Hermann-Stehr-Baude in Dintershöh, der Müller Max-Baude, der Bismarckbaude im Eulengebirge sowie der Bessert-Baude bei Friedersdorf gedacht sein, die unseren vielen wanderfrohen Heimatfreunden zu so mancher Rast und geselliger Einkehr nach langer Wanderung dienten. In diesen Jahren wurden im Glatzer Land vom GGV auch elf Studenten- und Schülerherbergen des DJH betreut. Die dienten als Übernachtungsstätten für die wandernde Jugend. Begründer waren Richard Schirrmann und Wilhelm Münker.
Sicherlich denken noch viele ältere GGVer an die großartige 50-Jahr-Jubelfeier des Vereines im Jahre 1931 in Glatz. Unter riesiger Beteiligung der Grafschafter Bevölkerung bewegte sich ein imposanter Festzug mit den vielen geschmückten Festwagen, den Trachtengruppen mit Darstellungen aus dem Leben des Grafschafters durch die Straßen der alten Festungsstadt zum Schäferberg. Wer denkt dabei nicht auch an die »Friedericus-Tage« in Glatz, an die schönen Heimat- und Trachtenfeste des GGV in Habelschwerdt und Bad Landeck?
Dem im Jahre 1883 gegründeten »Reichsverband deutscher Gebirgs- und Wandervereine« war der GGV frühzeitig angeschlossen. Im Jahre 1940 kam es zu dem Zusammenschluß des Adlergebirgs-Vereines mit dem Glatzer Gebirgs-Verein.
Bereits 1936 bis 1937 war vom Verein eine vollständig neue Wegebezeichnung bzw. -markierung geschaffen worden. Hatten diese Markierungen bis dahin aus rautenförmigen farbigen Holztäfelchen bestanden, die jeweils auf ein bestimmtes Wegeziel hinwiesen, so wurden jetzt entsprechende Schilder aus beständigerem Material — Blech — und große Orientierungstafeln für die 1200 Kilometer Wanderwege geschaffen.
In diese Zeit fällt auch die Schaffung und Markierung des 150-Kilometer-Teilstücks des Reichs-Wanderweges Saar-Schlesien in enger Zusammenarbeit mit den benachbarten Gebirgs-Vereinen. Hauptwegewart, der damals manchen mühevollen Weg markierte, war Amtsgerichtsrat Gierich, Glatz. Er war zugleich Vorsitzender des »Vereins für Glatzer Heimatkunde«. Rechtsanwalt Boese, Glatz, hatte diesen Verein um 1917 gegründet, der mit dem GGV nach dem Ersten Weltkrieg gegen die Ansprüche des tschechischen Nationalismus auf die Grafschaft Glatz den Widerspruch der Grafschafter Bevölkerung organisierte.
Neben dem bereits für Glatz erwähnten Heimatmuseum unterhielt der GGV in Bad Landeck ein solches. In den Ortsgruppen wurden natürlich auch Geselligkeit, Frohsinn und Wandern gepflegt. Das kann man den alten Zeitschriften entnehmen. Für die Ortsgruppe Glatz war der »Ruusa-Moontich« das traditionelle gesellschaftliche Ereignis — der letzte war 1939 —, für das immer der altbewährte Oskar Dürig verantwortlich zeichnete. Das galt natürlich auch für die GGV-Ortsgruppen I und II in der alten Reichshauptstadt Berlin. Im Jahre 1939 hatte der GGV 62 Ortsgruppen. Hatte der Zweite Weltkrieg bereits die Vereinstätigkeit sehr stark eingeschränkt, so setzte der unglückliche Ausgang desselben der für die Heimat verdienstvollen Tätigkeit des GGV ein Ende. Der Schneebergturm (bereits an anderer Stelle erwähnt) ist ein Trümmerhaufen — gesprengt —, die Hindenburgbaude abgebrannt, andere verwahrlost.
Mit Wehmut denken wir daran. Nach den uns vorliegenden lückenhaften Unterlagen waren die Hauptvereins-Vorsitzenden: 1881 bis 1885 Amtsrichter Grützner; um 1900 Justizrat Burczek; 1914 bis 1919 Landgerichtsrat Schneider; 1919 bis 1933 (?) Oberstudiendirektor Franz Conrads; 1933 Diplom-Ingenieur Konrad Goebel; 1934 bis 1945 Rechtsanwalt Franz Hartmann.
Weitere verdienstvolle Mitglieder des Hauptvorstandes und Ehrenmitglieder aus dieser Zeit (die Aufstellung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit) waren: Rechtsanwalt Boese, Oberamtsrichter Gierich, Hotelbesitzer Nitsche, Regierungsrat Gluth, Josef Krause, Zahnarzt Pokorny, Stadtbaumeister Gießer, Josef Loske, Tierarzt Franz Roemer, Hauptlehrer Mader, Studienrat Dr. Wimmer.
Ehrenmitglieder (entnommen der GGV-Zeitschrift »Die Grafschaft Glatz« Nr. 3/1935) waren unter anderem: Wehrkreispfr. Franz Albert, Münster; Studienrat Ernst Bielek, Patschkau; Studiendirektor Franz Conrads, Glogau; Großdechant Franz Dittert, Mittelwalde; Justizrat Karl Ferche, Neurode; Sanitätsrat Dr. Futter, Habelschwerdt; Bürgermeister Geisler, Habelschwerdt; Bürgermeister Konrad Goebel, Glatz; Landgerichtsrat Herrmann, Ratibor; Regierungspräsident Jaenicke, General-Konsul Shanghai; Lehrer Robert Karger, Neurode; Landrat Dr. Peucker, Münster i.W.; Oberlandesgerichts-Präsident Dr. Schneider; Studienrat Dr. Sprotte, Oppeln; Regierungsrat von Steinmann, Görlitz; Lehrer Zeipert, Hammer; Rechtsanwalt Franz Hartmann, Bad Landeck; Kantor Nobel, Bad Landeck.

Aus dem »Guda Oabend«-Kalender 1912.
Aus dem »Guda Oabend«-Kalender 1912.

Ehrend sei an dieser Stelle des »Heimat-Photographen des GGV«, Georg Marx, gedacht, der am 8. März 1971 verstorben ist. Durch die Herausgabe von Millionen Ansichtskarten hat er die Schönheit des Glatzer Berglandes im Reich bekanntgemacht. Dankbar sei auch sein Sohn Jörg Marx — J.-Marx-Verlag, 6906 Leimen — gewürdigt, der nach der Vertreibung durch die Herausgabe der »Grafschaft Glatzer Heimatblätter« wie auch der vielen heimatlichen Verlagswerke unser Schrifttum erhalten hat. Die letzte Hauptversammlung des GGV fand im Januar 1944 in Glatz statt. Sie stand unter dem Alpdruck des Krieges, dessen Ende vorauszusehen war. Es folgte dann im Mai 1945 der Zusammenbruch, die Besetzung durch die Russen und Polen. Dabei wurden die Akten des Vereines geplündert und vernichtet, alle Unterlagen beschlagnahmt, auch das Heimatmuseum. Das Guthaben des Vereines in Höhe von 50.000 RM bei der Deutschen Bank konnte nicht gerettet werden. So endet vorerst durch die bittere Vertreibung ein einst blühendes Vereinsleben im Glatzer Gebirgs-Verein für die Heimat.

1951 bis 1981: Rückblick auf 30 Jahre Glatzer Gebirgs-Verein Braunschweig e.V.

Infolge der Vertreibung nach dem Zweiten Weltkrieg verlor der GGV seine Wandergebiete und all das, was von ihm in den Jahren seit 1881 dort geschaffen wurde. Viele Grafschafter waren damals in den Raum Braunschweig verschlagen worden. Das Einleben und die Unterbringung in dem durch die Bombardierung im letzten Krieg fast völlig zerstörten Braunschweig fiel unseren Landsleuten oft schwer. So wurde immer wieder der Wunsch laut, hier den Zusammenhalt der Grafschafter zu pflegen. Man traf sich öfter im Laufe der Zeit im »Ölper Turm«. Schließlich fand im Juni 1949 ein großes Grafschafter Treffen im »Schützenhaus« Braunschweig statt, an dem auch unser Großdechant Prälat Dr. Monse (verstorben 1962) teilnahm. So kam es, daß sich am 9. August 1951 auf Einladung von Paul Leister im »Gliesmaroder Turm« in Braunschweig zehn heimattreue Grafschafter einfanden, um hier den Glatzer Gebirgs-Verein Braunschweig zu gründen. Zum Vorstand wurde damals gewählt: Erster Vorsitzender Georg Wache, Schriftführer Paul Leister, Kassierer Theophil Wolf.
Damit waren die Grundlagen für die heimatliche Vereinigung GGV geschaffen. Man wollte die Tradition desselben, wenn auch unter veränderten Verhältnissen, hier weiterführen — im neuen Wandergebiet Harz, Naturpark Elm, Heide. Der Verein betreut nun im Oberharz zwei Rundwanderwege (»Glatzer Wege«) in Zusammenarbeit mit dem Harzklub, drei Streckenwanderungen im Naturpark Elm, ein Teilstück des Europäischen Fernwanderweges Nr. 6 zwischen Gifhorn und Wendhausen — insgesamt 85 Kilometer. Die Wanderungen in diesem Gebiet haben stets eine gute Beteiligung. Es werden den Mitbürgern erlebnisreiche Wanderungen in Gottes schöner Natur für die Gesunderhaltung von Körper und Geist dargeboten. Auch wer selbst nicht mitwandern kann, fördert durch seinen Beitritt die gute Sache und dient den Bestrebungen des Vereines, der seit 1966 wieder Mitglied im großen Verband Deutscher Gebirgs- und Wandervereine, wie auch in der Norddeutschen Arbeitsgemeinschaft desselben ist. Der Verein ist auch Mitglied im Deutschen Jugendherbergswerk.
Gute Kontakte bestehen zu dem seit 1903 bestehenden Bruderverein, dem GGV Berlin, zum Riesengebirgs-Verein, zum Mährisch-schlesischen Sudetengebirgs-Verein, zum Harzklub, zum Sauerländischen Gebirgs-Verein Abteilung Lüdenscheid (Lüdenscheid ist doch die Patenstadt von Stadt und Kreis Glatz), zum Erzgebirgs-Vereins und anderen.
Erfreulicherweise hat der Verein in all den langen Jahren eine stetig steigende Entwicklung im Mitgliederbestand zu verzeichnen.
Neben den genannten Tätigkeiten steht die Erhaltung und Pflege des heimatlichen Brauchtums, die Liebe und Treue zur angestammten Gilatzer Heimat — auch bei unserer Jugend — im Vordergrund sowie die Pflege heimatlichen Liedgutes, heimatlicher Literatur, glätzischer Mundart. So wollen wir die Erinnerung an unsere schöne glätzisch-schlesische Heimat in uns und unseren Kindern wachhalten.
Die GGV-Kulturgruppe — der Sing- und Spielkreis Braunschweig-Thune (gegründet 1946) — ist unter seinem bewährten Chorleiter Walter Baron bei der heimatlichen Ausgestaltung der Veranstaltungen eine beachtliche Stütze. Gretel Lowack (Bad Kudowa) hatte den Chor 1946 in Thune gegründet und bis 1950 geleitet.

Vorstand des GGV Braunschweig. Foto: Leister
Vorstand des GGV Braunschweig. Foto: Leister

Der Verein freut sich, daß im Laufe der Jahre neben den Grafschaftern auch viele Heimatfreunde aus den früheren Nachbarkreisen und Freunde Schlesiens aus Braunschweig zu uns als Mitglieder kamen. Sie fühlen sich in unserer heimatlichen Betreuung, beim Gruppenwandern, bei den Baudenabenden im Oberharz in der Gemeinschaft wohl.
Anläßlich der 80-Jahrfeier des GGV im Jahre 1961 brachten die Mitglieder am »Kreuz des deutschen Ostens« auf den Uhlenklippen bei Bad Harzburg eine Granit-Gedenktafel des GGV an. 1971, zum 90jährigen Bestehen, gab der Marx-Verlag eine zweite Auflage des »Glatzer Wanderbuchs« von Dr. A. Otto heraus, zur 100-Jahrfeier erschien vom gleichen Verlag die dritte Auflage dieses Buches und ein Neudruck der vierten Auflage der »Übersichtskarte der Wanderwege in der Grafschaft Glatz vom GGV von 1935. Der GGV hat diesem Verlag und auch dem Verlag des »Grafschafter Boten« (dem verstorbenen Schulrat Alois Bartsch, Brilon, wie seiner neuen Redaktion) zu danken für die viele Mühe bei der Herausgabe der Fülle an glätzischheimatlicher Literatur.
Die »GGV-Mitteilungen« erscheinen vierteljährlich und sind ein Bindeglied zwischen Vorstand und Mitgliedern. 1981 erschien ein kleines Liederbuch »Unser Liedgut«, ein Liederbuch für den GGV.
Die Vorsitzenden des GGV Braunschweig: 1951 bis 1961 Georg Wache (Ehrenvorsitzender); 1961 bis 1962 Arthur Schilling (stellv. Vorsitzender); 1962 bis 1966 Max Hermann; 1966 bis 1974 Karl Scholz (Ehrenvorsitzender); seit 1974 Paul Leister.
Um den GGV Braunschweig haben sich ferner verdient gemacht: Clemens Blümel, Herbert Ehinger, Dr. Helmut Klose, Günter Reichelt und Theophil Wolf.
Eindrucksvolle Leistungen hat der GGV in den verflossenen 100 Jahren seines Bestehens erbracht. Zu allen Zeiten haben tatkräftige Männer und Frauen, die das Zeug dazu hatten, die gestellten Aufgaben gemeistert — bis zur Vertreibung in der alten Heimat, danach hier in der neuen Heimat. Mögen diese Bestrebungen in Zukunft, wenn wir Alten, die die schöne Grafschaft Glatz noch aus eigenem Erleben im Herzen bewahren, einmal abtreten, bei der jungen Generation so starken Widerhall finden, daß sie mit Erfolg die gleichen Aufgaben meistern als Erbe und Verpflichtung.
In seiner damaligen Festansprache, anläßlich der 50-Jahrfeier des Vereines in Glatz deutete der erste Vorsitzende Studiendirektor Conrads die drei Buchstaben GGV für alle Mitglieder als Wunsch: »Geh glücklich voran!« Dieser Wunsch möge auch für uns in der heutigen Zeit gelten. Unser schlesischer Wanderdichter Joseph Freiherr von Eichendorff hat einmal zu recht gesagt: »Was wir still gelobt im Wald, wollen’s draußen ehrlich halten. Ewig bleiben treu die Alten, bis das letzte Lied verhallt …«

Der Glatzer Gebirgs-Verein zu Berlin

In Berlin bestand schon vor dem Ersten Weltkrieg eine Ortsgruppe (Berlin 1) des GGV. Am 8. März 1903 gründeten 15 Landsleute den »Verein der Glatzer Landsleute zu Berlin«. In all den langen Jahren herrschte dort ein sehr reges Vereinsleben. Die Vorsitzenden waren: 1903 bis 1904 Josef Kuschel; 1904 bis 1908 Hermann Schmidt; 1908 bis 1912 Josef Mücke; 1912 bis 1917 August Keil; 1917 bis 1921 Max Krause; 1921 bis 1935 August Aurisch; 1935 bis 1956 Franz Heinze; 1956 bis 1962 Josef Nitsche; 1963 bis 1968 Herbert Pigulla; 1969 bis 1972 Josef Nitsche; 1972 bis 1975 Herbert Pigulla; seit 1975 Gerhard Schultze.
Am 8. September 1935 trat der Verein Ortsgruppe II dem bereits bestehenden Glatzer Gebirgs-Verein Berlin bei. Am 8. Mai 1945 wurden durch die Besetzung von Berlin alle Vereine aufgelöst. Auf Antrag von Franz Heinze wurde am 1. November 1949 der »Glatzer Gebirgs-Verein« vom Magistrat von Groß-Berlin (unterzeichnet von Oberbürgermeister Reuter) wieder zugelassen.
Aus der Vereinsgeschichte der Ortsgruppen Berlin ist zu entnehmen, daß seine Königliche Hoheit, Prinz Friedrich, Heinrich von Preußen auf Schloß Kamenz, der auch in der Grafschaft in Seitenberg — das Gebiet des Glatzer Schneeberges — große Besitzungen hatte, der Ortsgruppe Berlin anläßlich des 25jährigen Vereinsjubiläums 1928 für seine heute noch erhaltene kostbare Vereinsfahne einen Silbernen Fahnennagel stiftete. Der Verein ist stolz, heute noch das Traditionsstück zu besitzen. Es sei noch erwähnt, daß der Hauptvorstand des GGV in den langen Jahren in enger Beziehung zur Herrschaft Kamenz-Seitenberg bestand. Der Prinz gab damals 1895 die Erlaubnis, auf dem Glatzer Schneeberg den »Kaiser Wilhelmturm« zu errichten.

Paul Leister

Quellenangabe: Früh. Jahrgänge der GGV-Zeitschrift »Die Grafschaft Glatz« / Vierteljahrsschrift Bd. 1-7 »Geschichte und Heimatkunde der Grafschaft« / Sonderdruck »Grafschafter Bote« 1961 / »Der wackere GGV« »Guuda Oabend« 1932

aus: Grofschoaftersch Häämtebärnla 1984 (36. Jahrgang), S. 98-106
Jahrbuch der Grafschaft Glatz

 

 

 
 
 

 

© 2024 Christian Drescher
Erste Version vom 01.12.2024, letzte Aktualisierung am 02.12.2024.